Die „Zigeunersaucen“-Problematik

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(Selbst-)Bezeichnung von „Sinti und Roma“

Der „Klassiker unter den Grillsaucen“1 so betitelt die Firma Knorr auf ihrer Homepage aktuell ihre „Zigeunersauce“.

Im August 2013 forderte das Forum für Sinti und Roma Hannover dieses und andere Unternehmen in einem schriftlichen Anschreiben dazu auf „künftig die Bezeichnung „Zigeunersauce“ für ihr Produkt nicht mehr zu verwenden“. Sie machten darauf aufmerksam, dass „der Begriff „Zigeuner“ eine diskriminierende und rassistische Fremdbezeichnung“ für die Volksgruppe der Sinti und Roma sei.

„Wir werden weiterkämpfen, weil der Begriff Zigeuner für uns ganz klar eine Diskriminierung darstellt, durch die wir uns verletzt fühlen“ (Regardo Rose, der Vorsitzende des Forums für Sinti und Roma Hannover)2

Die Unternehmen lehnten eine Umbenennung ab. Die Zeitungen aber griffen das Thema auf und trugen die Diskussion in die Öffentlichkeit.

Als Folge sind „Zigeunersauce“ und „Zigeunerschnitzel“ seit August 2013 definitiv nicht mehr auf den Speisekarten der Kantinen des Hannoverschen Rathauses, des HCC und des Hannover Congress Centrum zu finden.3

Genauso interessant wie die Reaktion der angeschriebenen Firmen sind die Kommentare der Zeitungsleser:

„ich spinne das mal weiter „Wiener, Frankfurter, Hamburger, Berliner, Dickesauerländer, Jägerschnitzel wie sollen die denn politisch richtig heissen?4

„Nachdem es nun also dem liebgewonnenen Zigeunerschnitzel endlich an den fettigen Kragen geht, kann für das diskriminierende „JÄGERSCHNITZEL“ natürlich nichts anderes gelten. Die Jäger unter uns wird`s kümmern, so sie doch dann nicht mehr kulinarisch in ihrem Minderheitenstatus verunglimpft werden. Sonst noch was: Klar doch, beim Bäcker findet man gelegentlich noch die so genannten „Amerikaner“ und „Kameruner“. Mal ehrlich: Wie diskriminierend ist das denn?
Habt ihr sie eigentlich noch alle….?“5

Die Popularität des Beispiels führte selbst 2015 noch zu Vorwürfen in der Pegida-Diskussion: Man dürfe in Deutschland noch nicht einmal mehr von „Zigeunersauce“ reden.6 Oder zu popularisierenden Buchtiteln wie „Rettet das Zigeunerschnitzel“ von Bild-Kolumnist Peter Hahne.

Wer „Zigeunersauce“ aber mit dem Jägerschnitzel, dem Amerikaner oder dem Berliner vergleicht7, der verkennt das Problem. Es geht nicht darum irgendjemand vor Kannibalismus oder ähnlichem zu schützen.

Der Streit geht vielmehr „um einen kritischen und reflektierten Sprachgebrauch“8, wie ihn auch Silvio Peritore, der Vize-Vorsitzenden des Zentralrats Deutscher Sinti und Roma, fordert.

Im Diskurs werden alte Diskussionen über das Wort „Zigeuner“ als Verunglimpfung wach. Auch mehrere Jahrzehnte nach der Forderung der Sinti und Roma Verbände in den 70er und 80er Jahren scheint man sich nicht auf einen konkreten Umgang mit dem Begriff geeinigt zu haben.

So führt uns ein solch alltägliches Produkt zu einer viel grundsätzlicheren Frage:

Was ist das Sagbare? Wo fängt Diskriminierung an? Wie spreche ich „richtig“?

Im Folgenden kann man sich Ausschnitte aus Interviews mit Herrn Prof. Dr. Wolfgang Benz, ebenso wie mit einem Berliner Sinto anhören zu deren Meinung zum Thema (Selbst-)Bezeichnung:

Herr Professor Dr. Benz, war Leiter des Zentrums für Antisemitismusforschung der TU Berlin. Er veröffentlichte 2014 das Buch „Sinti und Roma: Die unerwünschte Minderheit. Über das Vorurteil Antiziganismus“, in dem er seine langjährige Erfahrung aus der Antisemitismusforschung für die aktuelle Debatte des Antiziganismus einsetzt.

Ein Berliner Sinto, der sich bereit erklärt hat mit uns ein Interview zu führen.

Was ist heute der politisch korrekte Begriff?

 

Seit wann spricht man nicht mehr von „Zigeunern“?

 

Was ist am Begriff „Zigeuner“ so diskriminierend?

 

Was ist der Unterschied zwischen Sinti und Roma?

 

Wie lautet der richtige Überbegriff für die thematisierte Volksgruppe?

 

Sollte man ihrer Meinung nach die Verwendung des Begriffs „Zigeunersauce“ verbieten?

Inzwischen hat Knorr die Zusatzinformation auf der Homepage, dass ihre „Zigeunersauce“ besonders gut zu „Zigeunerspießen“ passt, gestrichen.9

Auch die Studentenwerke in Berlin äußern sich auf Nachfrage:

„Im Studentenwerk Berlin werden diese Begriffe (Zigeunersauce und Zigeunerschnitzel) in allen Mensen schon seit langer Zeit nicht mehr verwendet. Das Studentenwerk hat sich dazu entschieden, weil diese Begriffe nicht mehr zeitgemäß und aus unserer Sicht diskriminierend sind.“

Ein Erfolg der Diskussion?

Anmerkungen

  1. http://www.knorr.de/produkt/detail/260107/knorr-zigeuner-sauce  (zurück)
  2. http://www.neuepresse.de/Hannover/Meine-Stadt/Rathauskantine-schafft-Zigeunerschnitzel-ab  (zurück)
  3. http://www.taz.de/was-fehlt-/!125046/  (zurück)
  4. http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Zigeuner-Sauce-soll-wegen-Diskriminierung-umbenannt-werden  (zurück)
  5. http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/diskriminierung-hannover-verbannt-die-zigeunerschnitzel/8895080.html  (zurück)
  6. http://www.zeit.de/kultur/2015-03/abendland-pegida-deutschland-polemik  (zurück)
  7. http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/diskriminierung-hannover-verbannt-die-zigeunerschnitzel/8895080.html- Kommentar vom 08.10.2013 15:01 von MarinC, http://www.haz.de/Hannover/Aus-der-Stadt/Uebersicht/Zigeuner-Sauce-soll-wegen-Diskriminierung-umbenannt-werden – Kommentar vom 09.10.2013 von Sauerländer.  (zurück)
  8. http://www.spiegel.de/panorama/gesellschaft/zigeunersossen-streit-interview-mit-silvio-peritore-a-916760.html  (zurück)
  9. http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/diskriminierung-hannover-verbannt-die-zigeunerschnitzel/8895080.html  (zurück)

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